Impuls zum 5. Februar 2023
Von Ferdinand Kerstiens (Marl), pax christi Münster
Salz und Licht
„In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr, außer weggeworfen und von den Leuten zertreten zu werden. Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet sie allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (Mt 5,13-16)
„Ihr seid das Salz der Erde!“ So einfach steht das da. Ihr seid das Salz für die Welt. Was für ein Vertrauen! Was für eine Einladung! Was für eine Zumutung! Salz macht das Leben der Menschen schmackhaft, würdig, lebenswert. Das Salz diente der Erhaltung der Lebensmittel und sichert damit die Ernährung der kommenden Generationen. Das galt damals und lange. Heute haben wir auch andere Methoden der schonenden Lagerung von Lebensmitteln. Heute weiß man, dass zu viel Salz krank macht, aber damals war das Salz kostbar. Das Bild vom Salz bleibt. Es mag auch ein Bild sein für die Erhaltung unserer Erde als Lebensraum nicht nur für uns Menschen. Es geht darum, unsere Erde nicht zu verbrauchen, nicht zu zerstören, sondern sie gleichsam „einzusalzen“ für die kommenden Generationen.
Was ist das für eine Verheißung für jeden Menschen, der sich auf Jesus einlässt, für die Gemeinde seiner Jüngerinnen und Jünger, für die christlichen Kirchen! Es heißt nicht: Das sollt ihr sein, sondern: das seid ihr. Ich könnte viele Menschen nennen, die für mich Salz waren, mein Leben lebenswert und reich gemacht haben durch Zuwendung, Verständnis, Ermutigung, Liebe. Ob ich selber auch etwas Salz für andere war, das können nur die anderen sagen. Die jeweils anderen sollen unsere guten Taten sehen, aber nicht uns preisen, sondern „unseren Vater im Himmel“.
Gott sei Dank – hier ist dieses geläufige Wort mit tiefem Inhalt gefüllt - gibt es viele Menschen – ob sie sich von Jesus her verstehen oder nicht - hier unter uns und weltweit, die sich – oft unter dem Einsatz ihres eigenen Lebens – so für das Leben anderer einsetzen: Ärzte ohne Grenzen, Welthungerhilfe, Oxfam, FIAN und viele andere Gruppierungen, aber auch kirchliche Gruppen: Misereor, Brot für die Welt, Adveniat und Renovabis und… und… Viel Salz gibt es auch im Kleinen, wo jemand einen anderen Menschen nicht fallen lässt, wo Kranke, Behinderte, Gescheiterte nicht allein gelassen werden. Leider kommen all diese Menschen im öffentlichen Bewusstsein kaum vor. Da geht es mehr um Einfluss, Macht und Geld, um Profit und Panzer. Doch die anderen, die wie Salz sind für das Leben auf dieser Welt, für die Menschen und ihre ganze Mitwelt, auf die kommt es an, um unsere Erde lebenswert zu erhalten.
Das gilt eben nicht nur persönlich, von Mensch zu Mensch. Das gilt auch für unseren Einsatz in der Arbeitswelt, in unserer Gesellschaft, für unser politisches Engagement, nicht nur in den Parteien, um Arbeitslosigkeit, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit zu vermindern, die Gleichgültigkeit gegenüber dem anderen zu überwinden, um mehr Gerechtigkeit und Frieden zu ermöglichen. Das Salz macht schmackhaft und haltbar. Aber: Das Salz muss in die Suppe. Es muss sich darin auflösen, um seinen Dienst am Leben zu tun. Man erkennt es nur am Geschmack.
Aber wenn das Salz schal wird, weil es nur sich selber hütet? Ich habe mal in einer Pastoralkonferenz gefragt, was denn die Gemeinden, die Kirche vor Ort, für die Stadt tun, für die Menschen und ihr Zusammenleben vor Ort. Die Reaktion war peinliches Schweigen. Es ging halt nur um das Binnenleben der Gemeinden. Aber: „Die Kirche darf nicht zum Ofen werden, der nur sich selber wärmt.“ (Karl Rahner)
Aber wenn das Salz schal wird, weil es nur sich selber hütet, wie exemplarisch deutlich im Tun und Vertuschen des sexuellen Missbrauchs, des geistlichen Missbrauchs in der Kirche, gerade von den offiziellen „Hütern“ des Salzes, was ist dann? Was ist mit denen, die es selber getan haben oder es um der Heiligkeit der Kirche willen vertuscht, verschwiegen haben, die dadurch weiteres Unheil durch die Täter ermöglicht haben? Dann ist ihr Salz schal geworden. „Es taugt zu nichts mehr, außer weggeworfen und von den Leuten zertreten zu werden.“ So sagt es Jesus im Evangelium. So treten auch Menschen hier in Deutschland aus dem Kirchensteuerverband Katholische Kirche aus um ihres Glaubens willen, weil sie die Aufbewahrung des schalen Salzes nicht mit bezahlen, sondern ihr Geld für das Leben von Menschen anders einsetzen wollen, damit das Leben von Menschen schmackhaft werden und bleiben soll.
„Ihr seid das Licht der Welt.“ Das Licht macht das Leben hell und freundlich. Wieviele Kranke warten auf das Morgenlicht nach durchwachter Nacht. Wieviele Kranke warten auf den ersten Menschen, der ihnen freundlich begegnet. Wieviele Menschen sind einsam und verbittert und warten vergebens auf einen Menschen, der ihr Leben heller und freundlicher macht. Das Licht lässt die richtigen Wege erkennen. Es nimmt die Angst. Wieviele Menschen können ihren Weg durchs Leben nicht mehr finden! Sie brauchen jemand, der oder die sie an die Hand nimmt, jemand, der Licht für sie ist.
Auch dies gilt wieder persönlich und politisch zugleich. Die Schuldenerlass-Kampagne hat uns gezeigt, wieviele Völker in Dunkelhaft genommen sind. Die „Fesseln des Unrechts“, „das Joch“, „die Versklavung“ – das ist die Macht der globalisierten, neoliberalen Wirtschaft, die brutal die Schwäche der Völker und Menschen weltweit ausnützt, die Macht der Kapitalmärkte, die ungebremst den eigenen Profit suchen. Und heute: da brauchen die Menschen in der Ukraine Licht, Kerzen, Batterien für Radios, Taschenlampen, Handys, um mitten in ihrer Not, ihrer Angst, im Krieg weiter leben zu können. Auch uns wird das für Notfälle empfohlen. Unsere Hilfe kann für andere Licht bedeuten.
Jesus sagt uns: Ihr Christen, ihr habt etwas, was die anderen zum Leben brauchen, was dazu hilft, das Leben schmackhafter, lebenswerter zu machen.
Konkrete Anregungen dazu gibt heute die erste Lesung. Ich erweitere sie um zwei Sätze, die leider in der offiziellen Ordnung gestrichen wurden:
„Ist nicht das ein Fasten, wie ich es wünsche: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, Unterdrückte freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen? Bedeutet es nicht, dem Hungrigen dein Brot zu brechen, die obdachlose Arme ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden, und dich deiner Verwandtschaft nicht zu entziehen. Dann wird dein Licht hervorbrechen wie das Morgenrot, und deine Heilung wird schnell gedeihen. Deine Gerechtigkeit geht dir voran und die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach. Wenn du dann rufst, wird der Herr dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: Hier bin ich. Wenn du Unterjochung aus deiner Mitte entfernst, und auf keinen mit dem Finger zeigst und niemandem übel nachredest, den Hungrigen stärkst und den Gebeugten satt machst, dann geht im Dunkel dein Licht auf, und deine Finsternis wird hell wie der Mittag.“ (Jes 58,6-10)
„Da geht im Dunkel dein Licht auf, und deine Finsternis wird hell wieder Mittag!“ Das ist der Weg, wie wir Salz und Licht werden können nach der Verheißung von Jesaja und Jesus. Das alles soll nicht eine schwere Last aufbürden, die das Leben noch mühsamer und freudloser macht, weil ich das alles nicht packen kann. Es ist vielmehr Einladung Jesu, die Stellen und die vielleicht bisher brachliegenden Qualitäten in mir, in uns, zu entdecken, die für andere fruchtbar werden können. Er will uns die beglückende Erfahrung schenken, dass unser Leben für andere hilfreich sein kann. Wir sind reicher, als wir oft denken und spüren. Wir können füreinander wichtig werden. Wir können mithelfen, das Leben unserer Mitmenschen, aber auch der Gesellschaft als ganzer menschlicher, menschenfreundlicher zu gestalten, Salz und Licht zu sein. Das macht auch unser eigenes Leben schmackhafter, strahlt auf uns zurück und macht uns glücklich.
Gebet
Gott, wir danken dir,
dass wir Licht und Salz sein dürfen,
die das Leben der Menschen erhellen
und schmackhaft machen können.
Du traust es uns zu.
Deswegen dürfen auch wir es uns zutrauen.
Schenke mir, schenke uns deinen Geist,
damit wir erkennen, wo wir anpacken können.
Schenk mir, schenk uns deinen Geist,
damit wir unsere Bequemlichkeit überwinden,
aus uns heraus- und auf die anderen zugehen.
Lass uns erleben, dass wir mithelfen können,
dass das Leben von Menschen freundlicher,
lebenswerter, freier, glücklicher wird.
Lass uns helfen, dass unsere Erde
menschengerechter, friedlicher wird.
Dann haben wir zu danken:
dir und den Menschen, die uns annehmen.